Fermentieren: Zubereitungsarten einfach erklärt
Fermentieren ist wieder in aller Munde – wortwörtlich. Die uralte Methode zur Haltbarmachung liegt heute voll im Trend: Sie bringt neue Aromen in die Küche, macht Spass und tut gut.
Erica
Leiterin Redaktion und Gestaltung Betty Bossi Zeitung
Was ist Fermentieren?
Fermentation kommt vom lateinischen Wort «fermentum» und bedeutet Gärung. Sie ist ein natürlicher Gärungsprozess, bei dem ein Ausgangsprodukt in Säure, Gas oder Alkohol umgewandelt wird. Der Prozess kann spontan oder unter Zugabe von Bakterien oder Pilzen ablaufen.
Ausgelöst wird die Fermentation durch verschiedene Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze. Im Rohmaterial sind bereits Mikroorganismen (Fermente) vorhanden, die sich von den enthaltenen Zuckern und Proteinen ernähren und diese in Alkohol, Säure und Kohlendioxid umwandeln. Dadurch verändert sich das Milieu des Rohmaterials, was die Vermehrung unerwünschter Mikroorganismen hemmt und so zur Konservierung beiträgt.
Vorteile des Fermentierens
Lebendige, gute Milchsäurebakterien verhindern, dass sich schädliche Mikroorganismen ansiedeln. Beim Fermentieren werden unerwünschte Säuren wie Oxalsäure und Phytinsäure abgebaut, und das Lebensmittel wird quasi vorverdaut. Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme bleiben erhalten oder vermehren sich sogar – bestimmte Vitamine wie die B-Gruppe oder Vitamin K₂ entstehen dabei neu.
Fermentieren macht Lebensmittel haltbar. Viele alltägliche Produkte sind das Ergebnis dieses Prozesses: Joghurt (fermentierte Milch), Käse (Milchsäure und Lab), Brot (Alkohol- und Milchsäuregärung), Wein, Bier, Salami, Schokolade, Kaffee, Tee oder Gemüse wie Sauerkraut. Gesundheitstipp: Ein bis zwei Esslöffel fermentierter Lebensmittel pro Tag sind ideal für die Gesundheit.
Fermentieren: Comeback einer uralten Technik
Je komplexer unser Alltag, desto mehr sehnen wir uns nach sicheren Werten: Einfachheit, Verlässlichkeit und echter Geschmack. Immer mehr Menschen entdecken alte Küchentechniken neu. Sie wollen wissen, was in ihrem Essen steckt – und es am liebsten selbst herstellen.
Diese Sehnsucht stillen wir mit Sauerteigbrot, selbstgebrautem Bier oder fermentiertem Gemüse. Diese Klassiker sind nicht nur gesund und lecker, sondern kommen ganz ohne künstliche Zusatzstoffe aus.
Sauerteigbrot und Joghurt selber machen
Brot aus Sauerteig und Joghurt gehören zu den fermentierten Lebensmitteln unseres Alltags. Ihre Herstellung zu Hause ist ganz einfach:
Sauerteigbrot
Mit Sauerteig ist es wie mit Wein: Er wird mit dem Alter immer besser. Gute Backstuben reichen ihren Sauerteig über viele Jahrzehnte von Generation zu Generation weiter. Es dauert ca. 9 Tage, bis Ihr Sauerteigansatz parat ist für das Backen mit Ihrer dauerhaften Sauerteigkultur.
Joghurt
Joghurt ist frisch und macht frisch: Die Liste mit seinen positiven Eigenschaften ist endlos lang – kein Wunder gehört das Milchsäuregetränk zu den beliebtesten Milchprodukten und findet überall in der Küche seine Verwendung. Mittlerweile gibts das säuerlich-aromatische Produkt auch laktosefrei und selbst vegane Varianten aus Soja-, Kokos- und Mandeldrink erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und erweitern die vielseitige Joghurt-Palette. Wenn du Joghurt gerne Zuhause selber machen würdest, haben wir für dich die besten Tipps & Tricks gesammelt.
Evergreen Sauerkraut
Wenn von fermentierten Lebensmitteln die Rede ist, fällt fast immer ein Begriff: Sauerkraut. Der fein geschnittene, gesäuerte Weisskohl ist seit dem 13. Jahrhundert in Europa dokumentiert und gilt als kulinarisches Kulturerbe. Auch heute wird er in Gegenden wie dem bernischen Gürbetal noch traditionell hergestellt: Weisskohl oder Sauerrüben werden gehobelt, gesalzen und gestampft und so fermentiert. Handelsübliches Sauerkraut wird meist pasteurisiert, wodurch viele wertvolle Mikroorganismen verloren gehen.
Als klassisches Wintergemüse hat Sauerkraut an Bedeutung verloren. Seit den 1950er-Jahren gilt es eher als saisonale Spezialität, etwa zu Rippli oder bei der Metzgete. Umso spannender: Bei jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten feiert das ursprüngliche, unpasteurisierte Sauerkraut ein Revival.
Fermentieren und heiss einmachen – was ist der Unterschied?
Beim heiss Einmachen – im Englischen spricht man von «to pickle» – wird Gemüse mit heissem Sud übergossen oder darin kurz gekocht. So werden schädliche Mikroorganismen durch Hitze abgetötet. Anschliessend werden die Lebensmittel in Essig, Salzlake, Öl oder Alkohol haltbar gemacht.
Beim Fermentieren hingegen bleibt das Gemüse roh. Lebendige, gute Milchsäurebakterien, die von Natur aus auf dem Gemüse vorhanden sind, sorgen dafür, dass sich schlechte Mikroorganismen nicht vermehren – ganz ohne Erhitzen.
Es war einmal: Geschichte des Fermentierens
Vor sehr langer Zeit, etwa 100'000 Jahre v. Chr., begannen die Menschen sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben. Zuvor waren sie als Jäger und Nomaden unterwegs und ernährten sich von Wild und gesammelten Pflanzen. Mit dem Übergang vom Jagen zum Ackerbau entstanden erste Methoden zur Konservierung von Lebensmitteln – denn die Getreideernte musste über den Winter haltbar bleiben. Dabei entdeckte man den Fermentationsprozess, der fortan zur Herstellung von Bier, Wein und Brot genutzt wurde – später auch für Gemüse, Milch und Fleisch. So kamen die Menschen satt durch den Winter – ohne bereits etwas über Mikroorganismen zu wissen.
Der Seefahrer James Cook nahm 1768 fassweise Sauerkraut auf seine erste Reise mit, weil er wusste, dass es lange haltbar war und seine Seeleute dank Vitamin C vor Skorbut – einer schweren Mangelkrankheit – schützte.
Später suchte Napoleon für seine Truppen transportierbare Lebensmittel. Er setzte eine Prämie für die beste Lösung aus. Gewonnen hat sie 1810 Nicolas Appert – kein Wissenschaftler, sondern Bäcker: Er sterilisierte Lebensmittel, erhitzte sie auf 100 Grad und füllte sie luftdicht in Flaschen ab. Mit der Erfindung der Konservendose wurde diese Methode zur neuen Standardlösung – und verdrängte das Fermentieren zunehmend.
In den 1950er-Jahren zog der Kühlschrank in Schweizer Küchen ein. Neue Möglichkeiten taten sich auf: Lebensmittel konnten auch im Sommer gekühlt – und sogar tiefgekühlt – werden. Mit dem Aufschwung der Lebensmitteltechnologie und dem wachsenden Bedürfnis nach Hygiene verschwanden Sauerkrauttöpfe, Steingutgefässe, Weck- und Bülachergläser nach und nach in die hintersten Ecken der Keller.
Wann muss man aufpassen?
Bei Gallenproblemen oder Histamin-Unverträglichkeit sollte man mit fermentierten Lebensmitteln behutsam umgehen. Falls sich Schimmel bildet, wenn etwas streng riecht, wegwerfen! Fermentieren braucht Beobachtung, Riechen und etwas Erfahrung.
Was sind Probiotika und Präbiotika?
Probiotika sind spezielle Bakterien, die Milchprodukten zugesetzt werden. Im Unterschied zu den üblichen Milchsäurebakterien, die üblicherweise zur Säuerung eingesetzt werden, überstehen sie die Magenpassage besser und können sich verstärkt an der Darmwand anlagern. Dadurch verdrängen sie potenziell schädliche Keime. Bei einem regelmässigen Konsum von probiotischen Lebensmitteln sollen diese die Darmflora positiv verändern, bei Durchfall hilfreich sein und die Abwehrkräfte stärken. Ein günstiger Einfluss auf den Cholesterinspiegel sowie eine antikanzerogene Wirkung werden ebenfalls vermutet. Es ist aber noch nicht abschliessend geklärt, ob eine Veränderung der Darmflora auf die Dauer nur positive Auswirkungen hat.
Präbiotika hingegen sind unverdauliche Nahrungsfasern wie Inulin oder Oligofruktose. Sie werden erst im Dickdarm abgebaut und dienen als Nahrung für Probiotika. Werden präbiotische Lebensmittel regelmässig gegessen, können sie das Wachstum der darmeigenen Bifidus-Bakterien fördern und bei Verstopfung hilfreich sein. Präbiotika werden auch aus technologischen Gründen geschätzt, denn sie schmecken leicht süss, haben keine Kalorien und verleihen Lebensmitteln eine angenehme Konsistenz und ein grösseres Volumen.
Natürlicherweise kommen Präbiotika in Lebensmitteln wie Chicorée, Topinambur, Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Schwarzwurzeln, Artischocken, Hafer oder Roggen vor.